Wir wollen auf die Gefühlsebene der Zuschauer einwirken
In der FFF-geförderten Experience Lili Marleen – Damaskus des Münchner Rationaltheaters sollen Theater, Film und Virtual Reality auf bisher ungekannte Arte zusammenfließen.
Der Krieg in der Ukraine dauert an. Und obwohl es weiterhin keine Aussicht auf ein Ende der Gräuel gibt, ist dieser Krieg bereits historisch. Was ihn nämlich schon jetzt von allen anderen unterscheidet: Noch nie zuvor haben Drohnen eine solch große Rolle gespielt. Als ferngesteuertes Kriegsgerät erwecken die auch schon in Afghanistan, im Irak oder in Syrien eingesetzten Kampfdrohnen dabei oft den Eindruck, hier ginge es weniger blutig zu. Das gilt aber maximal für die Piloten, die sie steuern. Für die militärischen und vor allem zivilen Opfer bringt der Drohnenkrieg genausoviel Leid und Tod. Und das ist etwas, das wir beim Reden darüber nie aus dem Blick verlieren sollten. So sieht es auf jeden Fall der Leiter des Münchner Rationaltheaters Dietmar Höss.
Wir wollen auf die Gefühlsebene der Zuschauer einwirken
In der FFF-geförderten Experience Lili Marleen – Damaskus des Münchner Rationaltheaters sollen Theater, Film und Virtual Reality auf bisher ungekannte Arte zusammenfließen. Text von Jürgen Moises
Der Krieg in der Ukraine dauert an. Und obwohl es weiterhin keine Aussicht auf ein Ende der Gräuel gibt, ist dieser Krieg bereits historisch. Was ihn nämlich schon jetzt von allen anderen unterscheidet: Noch nie zuvor haben Drohnen eine solch große Rolle gespielt. Als ferngesteuertes Kriegsgerät erwecken die auch schon in Afghanistan, im Irak oder in Syrien eingesetzten Kampfdrohnen dabei oft den Eindruck, hier ginge es weniger blutig zu. Das gilt aber maximal für die Piloten, die sie steuern. Für die militärischen und vor allem zivilen Opfer bringt der Drohnenkrieg genausoviel Leid und Tod. Und das ist etwas, das wir beim Reden darüber nie aus dem Blick verlieren sollten. So sieht es auf jeden Fall der Leiter des Münchner Rationaltheaters Dietmar Höss.
Wir alle sind Wolpertinger
Verrückter Mix aus Comedy und nerdigem Musiktheater: Benno Heisel schlüpft in das Kostüm eines Wolpertingers und verbindet in seiner „Parasitcom“ Philosophie, realpolitische Anspielungen und Quatsch.
Von Sabine Leucht
Viele Monate hat Benno Heisel an ihm gebaut. Angefangen hat er mit seinem Gesicht: mit einer Origami-Arbeit, die acht verschiedene Muskeln nachbildet, mit denen der Wolpertinger so etwas wie Mimik simulieren kann. Anders als beim ersten Tryout im April hat der Wolpi inzwischen auch Augen. Und ein stabilisierender Lack verleiht seinem säuberlich in Falten gelegten Antlitz eine wutrötliche Farbe. Mit seinem zottelpelzigen Körper suggeriert das Ding eine entfernte Verwandtschaft mit den Perchten – die ebenso eine alpenländische Erfindung sind wie das aus verschiedenen Tieren zusammengesetzte Fabelwesen selbst. Und es ist gewaltig groß! Auf die Bühne des eher intimen Schwabinger Rationaltheaters passt die etwas zerbeult aussehende Schöpfung des Performers, Theatermachers, passionierten Musik(-Instrumente)- und nun also auch Figuren-Fricklers gerade mal so.
Hannah Arendt rappt auf Schwäbisch
Zum ersten Mal setzt das Rationaltheater auf künstliche Intelligenz – und bittet Hannah Arendt, Albert Einstein und Rio Reiser zum Gespräch. Der Start gerät etwas holprig, zeigt aber die Grenzen und Möglichkeiten von KI.
Von Benedikt Karl, München
„Rio, wie sieht Dein Traummann aus?“ Eigentlich ist die Frage müßig, denn der Befragte – Rio Reiser – ist seit 28 Jahren tot. Doch Rio antwortet: Verträumt aussehen müsse er mit seiner Brille, und durch seine dunklen Augen wolle er in seine Seele schauen.
Es gibt Menschen, die fehlen, wichtige Stimmen, die zu früh verstummt sind. Drei davon – Hannah Arendt, Albert Einstein und Rio Reiser – holt das Rationaltheater zurück, dank künstlicher Intelligenz. „Dschinn“ heißt das Stück von Fiona Bumann, Marile Glöcklhofer und Dietmar Höss. Es fühlt sich an wie ein Gespräch unter Bekannten, auch wenn am ersten Abend noch nicht alles klappt wie erhofft.
Nonkonformist des Kabaretts
Aus Schwabings großer Zeit: zum Tod des schillernden „Rationaltheater“-Gründers Reiner Uthoff.
Von Oliver Hochkeppel
Man muss sich die frühen Sechzigerjahre noch einmal vor Augen führen, in denen viele entsprechend sozialisiert wurden: Eine bedrückende Restauration liegt über der Republik, die ihre noch nicht lange zurückliegende Geschichte verdrängt. Die NPD steuert auf ihr Allzeithoch zu, dazu beginnt die Amerikanisierung des Vietnamkriegs, die Jugend zu politisieren. In München führt bei den „Schwabinger Krawallen“ schon 1962 ein völlig überzogener Polizeieinsatz gegen jugendliche Straßenmusikanten zu tagelangen Straßenschlachten. So fängt auch der Student der Rechts- und Staatswissenschaften, Volkswirtschaft und schließlich Soziologie Reiner Uthoff an, sich zu positionieren.
1937 in Bielefeld geboren, kam Uthoff über das Studium erst nach Freiburg, dann nach München.
In einer fremden Welt
Das multimediale Projekt „Lost Children“ des Rationaltheaters zeigt Lebensrealitäten minderjähriger Geflüchteter – aus Vergangenheit und Gegenwart.
Eröffnet wird die ganzjährige Programmreihe am Samstag, 8. April, mit Fotografien von Gerti Deutsch und Mario Steigerwald, der auch anwesend sein wird. Zwischen ihren Arbeiten liegen 77 Jahre: Steigerwald dokumentierte 2015 die Ankunft junger geflüchteter Syrer, Afghanen und Äthiopier in München, Deutschs Bilder zeigen deutsche Flüchtlingskinder, die 1938 in England eintrafen – eine traurige Parallele, die intendiert ist. Denn die Ausstellung soll auch darauf aufmerksam machen, dass Kinder damals wie heute vor Krieg, Terror und Missbrauch fliehen müssen und ihre Fluchtgeschichten sich kontinuierlich durch die Menschheitsgeschichte ziehen.
Das beweist auch der Oscar-prämierte Dokumentarfilm „Kindertransporte – In eine fremde Welt“ aus dem Jahr 2000, der die Biografien von vor dem Nationalsozialismus fliehenden Kindern nachzeichnet. Das Rationaltheater zeigt den Film am 15. April. Eine andere Fluchtgeschichte erzählt die Autorin Badeeah Hassan Ahmed, die am 13. Mai aus ihrem Buch „Eine Höhle in den Wolken“ liest und berichtet, wie sie vor acht Jahren dem Islamischen Staat entkam. Darüber hinaus ist für den Sommer die Aufführung der performativen Gastarbeitererzählung „Barfuß Nackt Herz in der Hand“ geplant sowie ein Themenabend mit dem Staatswissenschaftler Said Al-Dailami zur Situation von Kindern in Jemen.
Erstunterkunft für Flüchtlinge aus der Ukraine
Wir bieten ab nächster Woche sechs Flüchtlingen aus der Ukraine eine kurzfristige Erstunterkunft im Rationaltheater an. Dazu bauen wir unsere Bühne in ein Matratzenlager um und stellen die Dusche und Toilette in der Künstlergarderobe zur Verfügung. Von dort aus verteilen wir die Familien in Unterkünfte, die für mehrere Wochen kostenlos genutzt werden können. Im Moment verfügen wir über drei Zimmer, die wir mit bis zu acht Personen belegen dürfen. Um weitere Familien zu beherbergen, suchen wir noch mehr leerstehende Wohnräume in München und Umgebung.
Wenn Sie uns helfen können, kontaktieren Sie bitte: Jurij Diez juradiez(at)gmail.com oder Elena Llopis elena(at)rationaltheater.de
Unser Theaterbetrieb läuft uneingeschränkt weiter, alle Vorstellungen finden zu den veröffentlichten Terminen statt.
Meer der heulenden Seelen
Für Alejandro Calderon Jaffe sind Flucht und Gewalterfahrung familiäre Referenzpunkt für seine Kunst. In einer Schau im Rationaltheater geht es dem gebürtigen Venezolaner um Wunden, Ängste und Einsamkeit, aber auch um Hoffnungszeichen.
Mit Jaffees Ausstellung „Rückkehr“ geht das Rationaltheater einen stillen Weg der Wiedereröffnung. Nach langen eineinhalb Jahren. Schon einmal hatte der Künstler, der sonst als Chef-Grafiker die Plakate für das Theater entwirft, seine Werke dort auf- und dann, dem Lock-down geschuldet, wieder abgebaut. (…) Theater ist Illusion, Täuschung, ein Spiel mit Raum und Licht.
Jenseits des Horizonts – eine gelungene Premiere!
Erzählt wird die Geschichte zweier Brüder aus einer bereits im 18. Jahrhundert in die Ukraine ausgewanderten Familie deutscher Kolonisten. Ausgelöst vom 2. Weltkrieg und den Deportationen der Russlanddeutschen in der Sowjetunion, trennen sich die Wege der beiden Brüder. Bei Kriegsausbruch fordert die Mutter den Söhnen ein Versprechen ab: Egal, welches Glück oder Unglück ihnen im Leben zustoßen mag, sollen sie ihr Briefe schreiben: „Es gibt keine Briefe, die eine Mutter nicht erreichen…“
Wir haben uns sehr gefreut, den 1. Vizepräsidenten des Bayerischen Landtages, Herrn Karl Freller, als unseren Ehrengast begrüßen zu dürfen.
„Dieses Theaterstück verdichtet die ganze Tragik des letzten Jahrhunderts. Das Schicksal einer russlanddeutschen Mutter und ihrer beiden Söhne lässt verstehen, warum sie immer als „die Anderen“ angesehen wurden. Tief beeindruckend in der Darstellung und im Inhalt! Ein Ausrufezeichen gegen Krieg, Hass, Gewalt und Nationalismus in seiner schlimmsten Form.“, so Karl Freller.
Jenseits der Fiktion – ein Bühnenstück über die Suche nach Heimat
Vielleicht ist Heimat nur die Vorstellung von einem Ort, an dem es sich gut leben lässt – mit einem Gefühl der Zugehörigkeit und der Geborgenheit. Und vielleicht entsteht diese Vorstellung auch nur in Abgrenzung zu einem Ort, an dem das nicht möglich ist. Von der komplexen Suche nach Heimat und dem Schicksal russischer Spätaussiedler erzählt das zwischen 1939 und 1990 spielende Bühnenstück „Leben jenseits des Horizonts“ von Jurij Diez und Yurii Poimanov.